Stadtspaziergang

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Erkunde Elberfeld bei unserem digitalen Spaziergang, der patriarchale und heteronormative Strukturen im Stadtraum aufdeckt. Erfahre, anhand von Wuppertaler Beispielen und persönlichen Geschichten von Betroffenen, wie diese Strukturen den Alltag prägen und wie wir gemeinsam für mehr Geschlechtergerechtigkeit eintreten können.

Erklärungen zu Fachbegriffen, die wir verwenden, findest du in unserem Glossar.

 

Laurentiusplatz

Text zum Mitlesen

Herzlich willkommen zu unserem digitalen Stadtspaziergang für eine geschlechtergerechte Stadt! Ich bin Kira und im Laufe der Stadtspaziergang hört ihr auch noch Anna. Wir studieren Public Interest Design und setzten uns mit unseren Projekten für Geschlechtergerechtigkeit ein – zu uns erzähle ich später noch etwas mehr.

Wir drehen heute gemeinsam eine Runde durch Elberfeld, um zu erkunden, wo und wie patriarchale und heteronormative Strukturen sich im Stadtraum bemerkbar machen – wir gehen die Begriffe gleich noch durch.

Warum wir das machen? Weil Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten entstehen, wenn die Stadt nur für einen Teil der Gesellschaft gestaltet ist, auf die wir dich aufmerksam machen wollen. Denn diese Hindernisse, die mehr als der Hälfte der Gesellschaft – also alle nicht cis-männlichen Personen – betreffen, fallen uns oft gar nicht auf. Das liegt daran, dass wir kein anderes System kennen und auch so sozialisiert, also quasi „erzogen“ werden, dass wir gut in dieses System hineinpassen.

Das klingt Abstrakt? Können wir gut verstehen. Unser Ziel mit dem Spaziergang ist es, genau diese Abstraktheit aufzulösen, indem wir dir konkrete Beispiele zeigen und persönliche Erfahrungen von Betroffenen mitgebracht haben. Denn diese Strukturen schränken die Freiheit und die Sicherheit aller nicht cis-männlichen Personen ein. Und das wollen wir ändern! Der erste Schritt dabei ist das Bewusstsein von nicht-Betroffenen aber auch von Betroffenen zu schärfen.

Cis- bedeutet übrigens, dass sich eine Person mit dem Geschlecht, dass ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren kann.

Ganz am Anfang habe ich zwei Worte in den Raum geworfen, über die wir vorab einmal sprechen sollten – Patriarchal und heteronormativ.

Patriarchal beschreibt ein System sozialer Beziehungen, Werte, Normen und Verhaltensmuster, die vorwiegend von Männern geprägt sind und eine bevorzugte Stellung von Männern begünstigen.

Einfach gesagt, wir leben in einer Gesellschaft, in der Männer mehr Macht und Einfluss haben als andere Geschlechter. Ein System, in dem der Mann als Norm und die Frau als Abweichung der Norm betrachtet wird – das klingt erst einmal drastisch. Deswegen ein paar sehr bildliche Beispiele: Bis vor ein paar Jahren gab es ausschließlich männliche Crashtest Dummys, der Norm Mensch, der zum Beispiel für die Konzeption und Festlegung von eigentlich allem verwendet wird, hat die Maße eines Durchschnittsmannes und medizinische Produkte werden oft nur an männlichen Mäusen getestet, da der monatliche Hormonzyklus der weiblichen Mäuse die Wirkungsweise der Medikamente beeinflussen könnte – tja, Frauen haben nun mal auch einen ganz ähnlichen Hormonzyklus, der die Wirkungsweise der Medikamente beeinflussen könnte.

Heteronormativ beschreibt eine Weltanschauung und ein gesellschaftliches Wertesystem, das nur zwei Geschlechter (männlich und weiblich) und heterosexuelle Beziehungen (ein Mann und eine Frau) anerkennt und als normal ansieht. Das spiegelt sich in unseren Gesetzen, zum Beispiel bei Eltern nicht biologischer Kinder, aber auch in ganz alltäglichen Dingen, wie den Medien, die wir konsumieren wider.

Das problematische ist, dass man die Auswirkungen dieser „Selbstverständnisse“ erst einmal nicht bemerkt, weil wir schon immer in genau dieser Umwelt und mit der entsprechenden Sozialisierung aufgewachsen sind.

Bist du betroffen, wird dir die eine oder andere Barriere im öffentlichen Raum auffallen. Doch je genauer du hinschaust und je tiefer du dich mit der Thematik vertraut macht, desto mehr Ungerechtigkeiten fallen auf.

Wir wollen dir heute einen Einblick in Bereiche geben, die einer Veränderung bedürfen. Dabei geht es auch gar nicht darum, dass privilegierten Personen etwas weggenommen wird – Der Gedanke kommt dann doch bei vielen auf –, denn in den meisten Fällen würde eine inklusivere Gestaltung den öffentlichen Raum für alle Bevölkerungsgruppen besser und lebenswerter machen.

Zum Anfang einmal die Frage an dich: Welche geschlechtsspezifischen Barrieren begegnen dir denn im Alltag?

Auf einige, an die du jetzt denkst, gehen wir in den nächsten 1,5 Stunden, in denen wir unterwegs sind, sicherlich ein. Und auch noch auf einige mehr, die für dich vielleicht neu sein könnten.

Bevor es gleich losgeht, noch ein paar Worte zu uns und auch noch ein paar organisatorische Dinge:

Vielleicht kennst du unser erstes Projekt, das Stadtkaleidoskop. Wir haben Angebote für FLINTA*-Personen auf einer gedruckten Stadtkarte verzeichnet, die nun kostenlos im Stadtraum zur Verfügung steht. Die Karte findest du auch auf unserer Webseite zum Download.

Nachdem wir uns mit der Sichtbarkeit von Hilfs- und Community-Angeboten beschäftigt haben, war es uns ein Anliegen uns mit dem öffentlichen Raum auseinanderzusetzen. Dafür haben wir zunächst eine partizipative Ausstellung konzipiert, die wir am 8. März hier auf dem Laurentiusplatz aufgebaut haben. Dabei haben wir Meinungen und persönliche Geschichten zum öffentlichen Raum in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit gesammelt – diese Ergebnisse fließen jetzt in unseren Stadtspaziergang ein.

Auf unserer Webseite findest du einen Laufzettel zum Stadtspaziergang als Download. Darauf findest du eine Übersicht über den Stadtspaziergang, alle Stationen mit Adressen und QR-Codes zu den Audios. Hierauf findest du links unten auch einen QR-Code zu unserer Google-Maps Route. Scannst du diesen, kannst du der Navigation folgen und läufst automatisch an allen Stationen vorbei.

Auf der Rückseite findest du einige Beobachtungsaufgaben. Damit wollen wir dazu anregen, dass du während des Spaziergangs deine Umwelt ein bisschen bewusster wahrnimmst. Die Aufgaben sind nicht nur für den Spaziergang relevant, wenn du diese Beobachtungsaufgaben auch mit in deinen Alltag nimmst, wird es vermutlich immer deutlicher, wie umfassend die „Probleme“ sind.

Solltest du nicht gut zu Fuß sein, kannst du dir die Stationen auch an einem anderen Ort anhören. Du kannst dir die Audios, wenn du einige Orte nicht besuchen kannst, trotzdem anhören und wirst auch keine Schwierigkeiten haben, zu verstehen, worum es geht.

Im Verlauf des Spaziergangs nutzen wir verschiedene Begriffe, um Geschlechter zu beschreiben. Da wäre zum einen der Begriff FLINTA*, das steht für Frauen, Lesben, Inter-, Nichtbinäre- und Trans-Personen. Der Begriff beschreibt Geschlechter, die nicht cis-männlich sind.

Ganz oft werden wir auch Männer und Frauen sagen, das liegt daran, dass wir uns auf Quellen beziehen, die das binäre Geschlechtssystem nutzen. Es gibt leider kaum Quellen, die die Geschlechtervielfalt wiedergeben – es wurde nicht einmal erfasst, wie viele Menschen sich mit einem Geschlecht, das nicht männlich oder weiblich ist, identifizieren.

Wir nutzen auch den Begriff männlich oder weiblich gelesene Person. Dabei geht es darum, welchem Geschlecht wir eine Person nach ihrem Aussehen und Verhalten zuordnen. Das hat zum Beispiel Auswirkungen darauf, wie wir mit der Person umgehen. Es dient aber auch dazu, nicht auf das Geschlecht der Person zu schließen.

Dann sprechen wir noch von queeren Personen. Queer ist ein offener Begriff, der alle einschließt, die mit ihrem Aussehen und/oder Verhalten nicht den hetero- und cisnormativen Vorstellungen entsprechen.

Solltest du Anregungen oder Fragen zum Stadtspaziergang haben, schreibe uns am besten auf Instagram @queeringthecity_wuppertal oder per Mail an empowerment.wuppertal@gmail.com. Die Kontaktdaten findest du noch einmal auf unserer Webseite.

Dann genug der Vorrede. Wir starten und laufen in Richtung Casinostraße.